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Selbst entscheiden mit Vorsorgevollmacht
Paare setzen einander meist wechselseitig als Vorsorge­bevollmächtigte ein.
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Vorsorgevollmacht

Selbst entscheiden mit Vorsorgevollmacht

Wer soll Ihre Angelegenheiten regeln, wenn Sie es nicht mehr können? Wer rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht errichtet, kann selbst darüber entscheiden.

Von Susanne Kowatsch

28.02.2023

Angenommen, man erleidet ganz aus dem Blauen einen schweren Schlaganfall, wird zum Pflegefall. Man schafft es nicht mehr selbst, den Antrag auf das Pflegegeld zu stellen und sich um sonstige Formalitäten zu kümmern. Glücklicherweise hat man einen Ehepartner, der könnte. Aber darf er es?

Die Antwort ist: Einfach so darf er es nicht, denn auch nahe Angehörige wie Ehepartner und Kinder können nicht automatisch für einen entscheiden. Eine solche automatische Vertretungsmöglichkeit für nahe Angehörige, zumindest für sogenannte „Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens“, gab es nur bis zum Jahr 2018, als das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft trat. Hat daher der Schlaganfallpatient im Eingangsfall nicht noch als Gesunder eine Vorsorgevollmacht errichtet, die nun „scharfgeschaltet“ werden könnte (dazu gleich mehr), dann gilt laut Christoph Mondel, Notar in Klos­terneuburg, die Grundregel: „Ist bereits etwas passiert, sei es ein Unfall, eine schwere Erkrankung oder eine entwickelte Demenz, dann kommt nur noch eine Erwachsenenvertretung in Betracht.“

Passieren kann einem freilich, so gerne wir das alle auch verdrängen, ­jederzeit etwas. Als Junger eher ein Ski- oder Autounfall, als Älterer vielleicht häufiger ein Schlaganfall. Doch selbst bei schleichenden Verschlechterungen wie beginnender Demenz wird hierzulande, fast fünf Jahre nach Einführung von Vorsorgevollmacht und Co., nur selten vorgesorgt: Gerade einmal 215.746 Vorsorgevollmachten gibt es aktuell bundesweit, nur 60.555 positive Erwachsenenvertreterver­fügungen (dazu später mehr). Und das bei 9,1 Millionen Einwohnern, davon 1,78 Millionen über 65 Jahren.

Gewählte Erwachsenenvertretung

Sind die geistigen Kräfte aus irgendeinem Grund schon beeinträchtigt, sind wir also im Bereich der Erwachsenenvertretungen. Als Erstes heißt es, ­abzuwägen, ob noch eine gewählte ­Erwachsenenvertretung möglich ist. Sie kommt dann in Betracht, wenn der Betroffene die Tragweite der Bevollmächtigung zumindest noch in Grundzügen verstehen kann. Bei erst angehender Demenz wird das voraussichtlich noch möglich sein. Man könnte so beispielsweise den Ehemann oder die Tochter einsetzen – gerne auch beide zusammen – oder auch jemand ganz anderen, etwa die beste Freundin. Eine solche gewählte Erwachsenenvertretung muss vor ­einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein vereinbart werden und ins Österreichischen Zentrale Vertretungsverzeichnis (kurz ÖZZV) eingetragen werden. Ab dann gilt die Vertretung.

Während ein gewählter Erwachsenenvertreter ab Eintragung unbefristet walten darf, müssen die anderen Erwachsenenvertretungsformen alle drei Jahre erneuert werden.  

Gesetzliche Erwachsenen­vertretung

Ist es für eine gewählte Erwachsenenvertretung zu spät, bietet sich als Nächstes die gesetzliche Erwachsenenvertretung an. Als Vertreter kommen hier grundsätzlich nur nächste Angehörige wie Eltern, Großeltern, volljährige Kinder bzw. Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen, aber natürlich auch Ehegatten, eingetragene Partner bzw. Lebensgefährten (seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt) in Betracht. Unter ihnen gibt es übrigens keine bestimmte Reihenfolge, sie müssen sich nur untereinander auf einen oder mehrere geeignete Vertreter einigen.

Auch für sie ist es nötig, sich bei einem Notar, Rechtsanwalt oder ­Erwachsenenschutzverein als gesetz­licher Erwachsenenvertreter in das ÖZZV eintragen zu lassen, bevor sie Vertretungshandlungen setzen dürfen. Wie gesagt: Diese Vertretung muss alle drei Jahre erneuert werden.

Was kostet es? „Bei der ersten Errichtung muss man mit etwa 300 bis 400 Euro rechnen, die Erneuerungen sind dann freilich günstiger“, meint Rechtsanwalt Bernhard Birek. Güns­tiger ist die Errichtung bei einem Erwachsenenvertretungsverein, die allerdings mitunter recht überlastet sind (am besten erkundigt man sich regional in seinem Bundesland).

Letzte Möglichkeit Gericht

Gibt es keine passenden Angehörigen, oder keiner von ihnen möchte den Job machen, dann bleibt noch die gerichtliche Erwachsenenvertretung offen. Sie ersetzt die früher übliche Sachwalterschaft. Das Gericht kann eine geeignete Person zum Erwachsenenvertreter bestellen. Das kann sowohl jemand aus dem Umfeld des Betroffenen sein (aus dem Verwandten- bzw. Freundeskreis) als auch ein Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins; in Einzelfällen auch ein Rechtsanwalt oder Notar. Ein solcher Vertreter wird aber nur für bestimmte Angelegenheiten (z. B. Hausverkauf) bestellt.

Im Vorfeld ist der Bedarf einer ­gerichtlichen Vertretung von einer Clearingstelle abzuklären, die (stärker als früher) auf die Interessen des Betroffenen zu achten hat. Dennoch kann man bei der gerichtlichen Erwachsenenvertretung nicht mehr von einer freien Wahl des Betroffenen sprechen. Weshalb es sich umso mehr auszahlt, rechtzeitig selbst eine Wahl  zu treffen – und zwar mit einer Vorsorgevollmacht.

Rechtzeitig zur Vorsorge­vollmacht!

„Die umfassendste Vertretungsbefugnis lässt sich mit einer Vorsorgevollmacht vereinbaren. Diese kann aber nur so lange aufgesetzt werden, so lange man zu hundert Prozent versteht, was man vereinbart“, betont Notar Mondel. Sie ist ein Vorsorgeinstrument, das sich „durch ihre Zweischrittigkeit auszeichnet“, erklärt Mondel. Bedeutet: „Man errichtet die Vorsorgevollmacht zu einem früheren Zeitpunkt, zu dem man noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Sie schlummert dann so lange, bis man sie eines Tages braucht. Oder möglicherweise wird sie auch niemals in Geltung ­gesetzt, weil man bis ans Ende seiner Tage geistig fit genug ist“, so Mondel.

Benötigt man sie aber eines Tages, ist der Zeitpunkt gekommen, sie „scharfzuschalten“. Dazu muss erst ein ärztliches Attest vorgelegt werden, dass man nun nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu erledigen, und im Anschluss daran kann die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht im ÖZVV eingetragen werden. Ohne Eintragung in dieses Verzeichnis darf also auch hier nicht in Vertretung gehandelt werden!

Auch eine Vorsorgevollmacht wird vor einem Notar, Rechtsanwalt oder bei einem Erwachsenenschutzverein abgeschlossen; ist man Eigentümer von Immobilien, bedarf es zusätzlich der Beglaubigung der Unterschrift. Paare setzen einander meist wechselseitig als Vorsorgebevollmächtigte ein. Wer Kinder hat und ihnen vertraut, sollte sie zumindest als Ersatzbevollmächtigte hereinnehmen. Schließlich könnte der Partner im Einsatzfall ­nicht mehr fit genug sein.

Ein zweiter Vorsorgebevollmächtigter kann auch klug sein, sollte der erste mal auf Urlaub, erkrankt oder sonstwie verhindert sein. „Hier heißt es allerdings unterscheiden: Bei einer echten Ersatzbevollmächtigung müsste man nachweisen, warum der erste Vorsorgebevollmächtigte verhindert ist, und das kann schwierig werden, wenn dieser bloß gerade auf Urlaub ist. Daher ist es üblicher, zwei oder mehrere Vorsorgebevollmächtigte nebeneinander einzusetzen, die nach außen gleichberechtigt vertreten dürfen, und bloß eine interne Reihenfolge festzulegen“, erklärt Mondel.

Freilich ist es auch möglich, jedem Bevollmächtigten bestimmte Aufgaben zuzuteilen. Etwa der Tochter die finanziellen Agenden, der Ehefrau ­dagegen medizinische Belange oder die Entscheidung über den künftigen Wohnort.

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