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Industrie
Österreichs boomende Pharmaindustrie
Im Vergleich zu 2021 ist die heimische Industrieproduktion insgesamt um 1,3 Prozent zurückgegangen, wie das Momentum-Institut Anfang des Jahres in einer Auswertung feststellte. Am stärksten trifft die Krise Industriezweige, die vom Bau abhängen oder nun teurere Energie verbrauchen. Entsprechend zeigen die Daten den größten Produktionseinbruch im Bergbau: 2024 wurde ein Viertel weniger produziert als noch 2021.
Ganz anders die Entwicklung in der Pharmaindustrie, die ihren Output im Dreijahresvergleich sogar um 40 Prozent erhöhen konnte. Deutlich gestiegen sind auch die Investitionen der Pharmaunternehmen in den Standort Österreich – von bis zu 2,6 Milliarden Euro in den Jahren 2013 bis 2018 auf rund vier Milliarden Euro in den letzten fünf Jahren, schätzt man bei der Pharmig, der unabhängigen Interessenvertretung der pharmazeutischen Industrie in Österreich.
Gesund, aber mit Luft nach oben
Die Pharmabranche in Österreich scheint sich also bester Gesundheit zu erfreuen. Bernhard Wittmann, Präsident der Pharmig, kann das bestätigen, meint aber: „Der Pharmastandort Österreich ist gesund. Es könnte ihm aber noch besser gehen, wenn wir alle Chancen nutzen würden. Life Sciences ist eines der Themen mit Zukunftspotenzial. Viele andere Branchen haben dieses Zukunftspotenzial nicht mehr. Den Pharmastandort Österreich in diesem Life-Sciences-Spektrum zu stärken, würde gesellschaftspolitisch, wirtschaftspolitisch, standortpolitisch sehr, sehr viel Sinn machen.“ Immerhin beschäftigen die rund 150 Pharmaunternehmen direkt rund 18.000 Menschen, indirekt über Zulieferbetriebe sogar mehr als 63.000 und tragen mit 9,6 Milliarden Euro wesentlich zur heimischen Wertschöpfung bei.
Österreich ist Pharmaexporteur
Was die heimische Pharmaindustrie auch im internationalen Vergleich auszeichnet, ist ihre Breite, die von forschenden über produzierende bis hin zu Vertriebsunternehmen, von Konzernniederlassungen bis zu Ein-Personen-Unternehmen reicht und deren Portfolios alles abdecken, was den Arzneimittelmarkt ausmacht: rezeptfreie wie rezeptpflichtige, bewährte wie innovative Medikamente und Homöopathika. Und last, but not least weist Österreich im Bereich der pharmazeutischen Industrie traditionell eine stark positive Handelsbilanz auf. Das heißt, es werden mehr Arzneimittel exportiert als importiert.
Boehringer Ingelheim ist die Nummer eins
Einen wesentlichen Anteil daran hat Boehringer Ingelheim, das umsatzstärkste Pharmaunternehmen Österreichs. Vom Regional Center Vienna (RCV) in Wien-Meidling aus werden nicht nur der österreichische Markt, sondern mehr als 30 weitere Länder, vor allem in Mittel- und Osteuropa, betreut. „Wien ist für Boehringer Ingelheim der einzige Standort weltweit, der die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt“, erklärt Pavol Dobrocky, Generaldirektor von Boehringer Ingelheim RCV, „von der Grundlagenforschung am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie IMP über die angewandte Forschung und biopharmazeutische Produktion bis hin zur Geschäftsverantwortung für das Humanpharma- und Tiergesundheitsgeschäft. Auch die klinische Forschung in den Ländern wird von hier aus koordiniert.“
2024 beschäftigte Boehringer Ingelheim RCV in der Region knapp 5.000 Mitarbeiter, davon 3.451 in Österreich – ein Plus von sechs Prozent gegenüber 2023. Die Gesamterlöse lagen mit 2,156 Milliarden Euro aufgrund von Einmaleffekten zwar unter dem Niveau von 2023, in den Geschäftsbereichen Humanpharma (plus 6,4 Prozent) und Tiergesundheit (plus 8,4 Prozent) konnten jedoch Zuwächse erzielt werden. Dobrocky: „Das Boehringer Ingelheim RCV kann auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken. Für 2025 haben wir vor allem zwei Ziele: Wir wollen einerseits das Potenzial unserer bestehenden Produkte voll ausschöpfen, um noch mehr Patientinnen und Patienten mit unseren lebensverändernden Produkten zu versorgen. Andererseits entwickelt sich unsere Produktpipeline zügig weiter, und wir werden 2025 wichtige Meilensteine erreichen.“
Wien als globales Zentrum für Krebsforschung
Vor allem in der Onkologie rechnet Boehringer Ingelheim in den kommenden Jahren mit neuen Zulassungen. Eine wichtige Rolle spielt dabei das 2024 eröffnete Angelika-Amon-Forschungsgebäude, das 2024 eröffnet wurde und in dem 150 Mitarbeiter in einem Umfeld mit modernsten Forschungsgeräten an vielversprechenden Therapieansätzen gegen Krebs arbeiten. Dobrocky: „Die Investitionssumme von rund 60 Millionen Euro ist auch als Bekenntnis von Boehringer Ingelheim zum Standort Wien als das unternehmenseigene globale Zentrum für Krebsforschung zu sehen.“
In Summe hat Boehringer Ingelheim in den letzten zehn Jahren mehr als eine Milliarde Euro in den Ausbau der Infrastruktur am Standort Wien investiert. Doch nicht nur das Unternehmen Boehringer Ingelheim setzt auf Wien, sondern auch die gemeinnützige Boehringer-Ingelheim-Stiftung mit Sitz in Mainz. Sie fördert das im Februar 2025 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gegründete Aithyra-Institut – ein Institut für künstliche Intelligenz in der Biomedizin – und stellt ihm für die nächsten zwölf Jahre 150 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist die größte private Forschungsförderung, die es in Österreich je gegeben hat.
Tirols größter industrieller Arbeitgeber
Das zweitgrößte produzierende Pharmaunternehmen in Österreich ist Novartis, das hierzulande einen Umsatz von rund 1,9 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 3.300 Mitarbeiter an drei Standorten in Wien und Tirol beschäftigt. Und auch Novartis Österreich steht derzeit sehr gut da, berichtet Roland Gander, Geschäftsführer des Novartis Campus Kundl/Schaftenau: „In den letzten drei Jahren haben wir die Zahl der Beschäftigten an unseren beiden Produktionsstandorten in Kundl und Schaftenau um 20 Prozent erhöht und sind nun Tirols größter industrieller Arbeitgeber.“
Investitionen stärken Wirtschaft und Wissenschaft
Kundl und Schaftenau zählen auch zu den größten und technologisch führenden Produktionsstandorten von Novartis weltweit, weiß Gander: „Kundl und Schaftenau spielen für Novartis weltweit eine sehr wichtige Rolle bei der Herstellung von biopharmazeutischen Produkten.“ So wurde 2024 in Schaftenau um 250 Millionen Euro eine neue Zellkulturanlage errichtet, eine zweite in Kundl wird heuer fertiggestellt. Insgesamt hat Novartis in den vergangenen zehn Jahren 1,6 Milliarden Euro in Österreich investiert.
Forschung und Entwicklung haben daran einen erheblichen Anteil. Allein 2024 flossen rund 160 Millionen Euro in diesen Bereich, berichtet Catherine Emond, die seit April 2025 Country President von Novartis Österreich ist. Als solche leitet sie den Geschäftsbereich International inklusive Marketing und Vertrieb innovativer Arzneimittel in Österreich und führt das Country Leadership Team. Emond: „Derzeit forschen wir an 21 Substanzen und führen 42 klinische Studien durch. Diese Aktivitäten stärken nicht nur die heimische Wirtschaft, sondern auch den Wissenschaftsstandort Österreich.“ Allein bei Novartis arbeiten 540 Forscherinnen und Forscher. Dazu kommt die Zusammenarbeit mit 56 externen Forschungseinrichtungen in Österreich. Emond: „Wir arbeiten bei Novartis schon heute an den Therapien von morgen und bringen damit die Expertise zu heimischen Ärzten und Zentren und Innovation zu österreichischen Patientinnen und Patienten.“