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Kunstherz oder Schweineherz?© APA/AFP/picturedesk.com

Herztransplantationen

Kunstherz oder Schweineherz?

Amerikanischen Chirurgen gelang erstmals die erfolgreiche Verpflanzung eines Schweine­herzens an einen menschlichen Probanden. GEWINN befragte Herztransplantations-­Experten über Risiken und aktuelle Fortschritte.

Von Erich Brenner und Michael Kordovsky

07.04.2022
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© APA/AFP/picturedesk.com

Der 57-jährige Herzschwäche­patient David Bennett kam ­weder für eine humane Herztransplantation in Frage noch für einen Kunstherzeinsatz. Die letzte Zeit hatte er bettlägerig an einer mechanischen Herzunterstützung verbracht. „In dieser Situation war die Schweine­herztransplantation die einzig verbleibende Option, wenn auch eine experimentelle. Der Patient wäre sonst verstorben“, so Thomas Wekerle, Professor für Transplantationsimmunologie an der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie, Klinische Abteilung für Transplantation, der MedUni Wien, gegenüber dem GEWINN.

Nach einer Notfallzulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA verpflanzten ihm am 7. Jänner 2022 Chirurgen der Universitätsklinik Maryland in der weltweit ersten Xeno-Herztransplantation dieser Art ein Schweineherz. Bennett hat sich zwischenzeitlich schnell erholt, konnte Zeit mit seiner Familie verbringen und an einer Physiotherapie teilnehmen, ehe sich sein Gesundheitszustand schnell verschlechterte und er am 8. März verstarb. Die Todesursachen sind noch nicht ­publik bzw. vollständig geklärt. Trotzdem betrachten dies Wissenschaftler als eine Art „Durchbruch“, zumal in Deutschland die erste Mensch-zu-Mensch-Herztransplantation vom 13. Februar 1969 nur 27 Stunden anhielt.

Noch hohe Risiken trotz ­genetischer Anpassungen

Bennetts Spenderherz stammte von einem genetisch veränderten Schwein, das von Revivicor, einem Unternehmen für regenerative Medizin mit Sitz in Blacksburg, Virginia, zur Verfügung gestellt worden war. Es trug zehn genetische Veränderungen, vier Gene waren ausgeschaltet oder inaktiviert, darunter eines, das ein Molekül unterdrückt, welches eine aggressive menschliche Abstoßungsreaktion auslöst.
„Möglich wurde das durch die ,Genschere‘ (CRISPR-Cas-Methode, Nobelpreis 2020 für Chemie, Anm.). Derzeit laufen intensive Forschungen, um die optimale Genveränderung zu finden. Der Trick ist, einige Gene des Schweins derart zu verändern, dass die Organe für das menschliche Immunsystem verträglicher werden. Derartige genveränderte Schweine können auf konventionellem, natürlichem Weg gezüchtet werden und wären dann in großer Zahl als Spender verfügbar“, erklärt Wekerle.

Doch es bleiben Herausforderungen, die Privatdozentin Julia Dumfarth, Programmleitung Herztransplantation Universitätsklinik für Herzchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, wie folgt skizziert: „Eines der Hauptprobleme ist die Reaktion des menschlichen Bluts mit den Schweinezellen, im Detail mit menschlichen Antikörpern in unserem Blut, die wir alle in uns tragen. Dadurch kommt es zur Aktivierung der Blutgerinnung und Ausbildung von Thromben und Verstopfungen von Gefäßsystemen. Zusätzlich kommt es zu einer Entzündungsreaktion und in später Folge zum Angriff auf die und das Absterben der Empfängerzellen.“

Thomas Wekerle, MedUni Wien© Medizinische Universität Wien/feel-image/Felicitas Matern

Transplantationsherzen als ­„Massenprodukt“

„Ziel der Xenotransplantationsforschung ist, Spenderschweine zu züchten, deren Organe in großem Stil als Transplantate verwendet werden können. Als Transplantatempfänger würden fast alle Patienten in Frage kommen, die eine Transplantation benötigen. Ein bestimmtes genetisches Profil ist nicht notwendig“, so Wekerle. Da ethische Überlegungen gegen Primaten (z. B. Schimpansen) als Spender sprechen und Schweine über hohe Reproduktionsraten und dem Menschen ausreichend ähnliche physiologische Eigenschaften verfügen, wären diese die idealen Organspender. „Derartige Zuchten sind grundsätzlich auch in Österreich denkbar. Viel wahrscheinlicher ist aber ein Szenario, bei dem in Europa einige wenige Zuchteinrichtungen von der Pharmaindustrie betrieben werden, die dann ganz Europa mit Spenderorganen versorgen“, so die Meinung von Wekerle.

Lange Wartezeiten auf ­Transplantationsherzen

Sollten die anfänglichen Herausforderungen gemeistert sein, würde Xenotransplantation die derzeit angespannte Situation entschärfen. Universitätsprofessor Andreas Zuckermann, Programmdirektor Herztransplantation Universitätsklinik für Herzchirurgie an der MedUni Wien, quantifiziert die Engpass-Situation wie folgt: „Laufend warten in Österreich ca. 40 Patienten auf ein neues Herz. Im Laufe eines Kalenderjahres kommen ca. 60 Patienten dazu. Die Transplantationsrate in Österreich beträgt rund 55 bis 65 pro Jahr. Die mediane Wartezeit beträgt in Österreich ca. sechs bis neun Monate (Deutschland: fünf Jahre, Anm.)“. Die Wartezeit ist u. a. von Blutgruppe, Größe/Gewicht eines Patienten, aber auch von der Dringlichkeit abhängig. „Für hoch dringliche Patienten die auf einer Intensivstation liegen und auf ein Herz warten, beträgt die mediane Wartezeit rund sieben bis 14 Tage“, so Zuckermann, der die Todesrate während der Wartezeit angibt: „In Österreich sterben rund acht Prozent der  auf der Warte­liste stehenden Patienten. Das ­waren in den 1990er-Jahren noch rund 25 Prozent.“ Die Verteilung von Spenderherzen läuft für alle acht Eurotransplant-Länder, zu denen auch Österreich zählt, zentral über die Stiftung Eurotransplant.

Privatdozentin Julia Dumfarth,:
Eines der Hauptprobleme ist die Reaktion des menschlichen Bluts mit den Schweinezellen.

© MUI/Bullock

Zeit bis zur Transplantation ­überbrücken

Minipumpen, die ans Herz angeschlossen werden und dessen Arbeit entlasten, haben die Sterblichkeit auf der Warteliste gesenkt. Dumfarth: „Die Implantation von Herzunterstützungspumpen (Kunstherzen) stellt eine Überbrückung, aber auch Alternative zur Herztransplantation dar. Hier gibt es unterschiedliche Devices, wobei der Großteil als linksventrikuläres Unterstützungsdevice implantiert wird. Es wird somit der am häufigsten von einer Herzschwäche betroffene linke Ventrikel (Herzkammer) von dieser Pumpe unterstützt. Neue Technologien, die beide Herzkammern unterstützen oder zur Gänze ersetzen können, drängen aber auf den Markt, und das frühe Überleben mit diesen Technologien gleicht mittlerweile fast dem nach Herztransplantationen.“ Zuckermann quantifiziert: „Die am längsten in Österreich lebenden Patienten mit Kunstherz tragen dies bereits mehr als zehn Jahre.“
In den vergangenen Jahren hat sich die Transplantationstechnologie weiterentwickelt. Dumfarth nennt ein Beispiel: „Die Maschinenperfusion, die Möglichkeit, ein Herz schlagend außerhalb des Körpers zu transportieren, hat durchaus die Ära der Herztransplantation revolutioniert. Hierdurch wurde es möglich, Spenderherzen nach einem Kreislauftod wieder zu konditionieren und für eine Herztransplantation zu verwenden.“

Andreas ­Zuckermann, MedUni Wien© Medizinische Universität Wien

Leben nach der ­Herztransplantation

Dumfarth hat eine positive Nachricht: „Das Leben nach der Transplantation soll so normal wie möglich werden. Natürlich sind regelmäßige Kontrollen im Transplantationszentrum und die tägliche Einnahme spezieller Medikamente, die eine Abstoßung verhindern sollen (Immunsuppressiva, Anm.), notwendig. Die Patienten erfreuen sich aber meist einer sehr guten Lebensqualität. Sie werden auf bestimmte Verhaltensweisen geschult, haben aber kaum Limitationen im Alltag.“ Zuckermann ergänzt: „Sie können Sport ausüben, ihrem Beruf nach­gehen, reisen, Kinder bekommen und vieles mehr. Allerdings müssen sie sich vor Infektionen besser schützen. Im ersten Jahr kommt man einmal monatlich zu einer Kontrolle, die ca. einen halben Tag dauert. Den ersten Monat nach der Operation ist man ­stationär, den zweiten in einem Kardio-Rehab-Zentrum, das auf Herztransplantation spezialisiert ist. Ab dem ers­ten Jahr ist man rund viermal pro Jahr bei einer Kontrolle und ­einmal im Jahr bei einem größeren Check-up.“
Zur Operationskostenübernahme äußert sich Julia Dumfarth fol­gendermaßen: „Die Herztransplantation ist eine medizinisch operative Leistung wie alle anderen chirurgischen Eingriffe und wird daher in Österreich mit der Krankenkasse abgerechnet.“

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