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Der große Aktiencheck© Fotos: Peter Schmidt, Vitalii Litvinenko - GettyImages.com, Bildbearbeitung: EDGE Project/Georg Zumbulev

Wiener Börse

Der große Aktiencheck

Wo aktuell die größten Risken schlummern. Welche Aktien langfristig das größte Potenzial haben. Plus: 32 heimische Börsenunternehmen im Kurzporträt.

Von Linda Benkö, Hans-Jörg Bruckberger, Martin Mayer und Clemens Peleska

01.11.2022
Exklusiv für GEWINN-Abonnenten
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„Hoch werd’ ma’s nimmer g’winnen“ – das legendäre Zitat des Fußball-Nationalspielers Toni Pfeffer, als Österreich 1999 gegen Spanien schon zur Halbzeit 0: 5 zurücklag, lässt sich wohl auch auf die Wiener Börse im Jahr 2022 umlegen. Mit einem Kursrückgang von rund 30 Prozent im Vergleich zum Jahresbeginn startete der heimische Leitindex ATX ins letzte Quartal des heurigen Jahres.

In Wien spielen Dividenden eine noch größere Rolle als an vielen anderen Börsen. Daher sollte man sie auch bei Anlageentscheidungen beachten.
Der heimische Leitindex ATX erholte sich nach dem Corona-Crash im März 2020 sehr stark, verlor aber heuer wieder deutlich mehr als andere Märkte.

Anders als das österreichische Fußball-Nationalteam war der Index zuvor jedoch weltmeisterlich unterwegs gewesen: Der heimische Aktienmarkt beendete das Jahr 2021 – das 250. Jubiläumsjahr der Wiener Börse – nicht weniger als rund 40 Prozent im Plus. Damit hatte der ATX mehr als doppelt so stark zugelegt wie beispielsweise der DAX oder der Dow Jones und suchte auch weltweit seinesgleichen.

Gewinnmitnahmen schienen danach aus Sicht der Aktionäre verlo­ckend – zumal das Umfeld für die Börsen heuer denkbar ungünstig ist. Weltweit drücken hohe Inflationsraten, Konjunktursorgen und Zinserhöhungen in wichtigen Märkten sowie der Ukraine-Krieg mitsamt seinen Auswirkungen auf die Energiepreise die Stimmung an den Finanzmärkten.

In Wien steppt der russische Bär

Wien wurde zudem die Nähe zu Russland zum Verhängnis – nicht nur im geografischen Sinn: Viele österreichische Unternehmen sind in Russland stark engagiert bzw. waren es bis vor Kurzem noch.

Dafür wurden sie heuer an der ­Börse besonders hart abgestraft, was beispielsweise das empfindlich hohe Kursminus der Raiffeisen-Aktie oder auch die enttäuschende Kursentwicklung der OMV erklärt. Letztere kam noch dazu vor dem Hintergrund eines an sich starken Branchenumfelds zustande – Öl- und Gaskonzerne zählen im bisherigen Jahresverlauf weltweit zu den wenigen Gewinnern.

Auch andere börsennotierte Konzerne wie Uniqa, Vienna Insurance Group (Wiener Städtische) oder War­impex sind in Russland aktiv. Der Immobilienentwickler Warimpex wurde von einigen Finanzdienstleistern sogar als sanktioniertes Unternehmen eingestuft, obwohl er nicht auf den Sanktionslisten der  USA oder EU steht. Der Grund: Gewisse Mieter des Unternehmens (konkret Gazprom) befinden sich sehr wohl auf der US-Sanktionsliste.

Jedenfalls steht die Causa stellvertretend für das aktuell größte Problem der Börse Wien: Das Thema Russland hat in Wien weit mehr Bedeutung als in anderen Märkten, und das gefällt vor allem amerikanischen Investoren gar nicht. „Man muss wissen: In Wien kommen im Schnitt ca. 75 Prozent der Umsätze von Auslandsinvestoren. Und die ­halten sich aktuell zurück, vor allem die Amerikaner“, bestätigt Alois ­Wögerbauer, Geschäftsführer und Fondsmanager der 3-Banken-Generali Investment-Gesellschaft. Obendrein führt Wögerbauer Defizite beim Branchenmix ins Treffen: „Was erschwerend dazukommt, ist, dass in Wien nach wie vor defensive Titel, etwa aus den Bereichen Nahrung oder Gesundheit sowie Digitalisierung weitgehend fehlen“.

Mächtiges Aufholpotenzial

Sollte sich die politische Situation und damit die Energiekrise entspannen, so sieht auch Wolfgang Matejka, Geschäftsführer von Matejka & Partner Asset Management und Chief Investment Officer der Wiener Privatbank, im weiteren Jahresverlauf durchaus Chancen: Dann sollten Unternehmen aus der Finanz- und Energiebranche eine positive Entwicklung an den Märkten tragen. „Davon sind im ATX Prime etliche vorhanden, was unseren Markt auch zu einem bevorzugten Markt in Europa werden lassen müsste.“

Auch Alois Wögerbauer ist überzeugt: „Wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern, ist das Aufhol­potenzial mächtig.“ Im Umkehrschluss gilt aber auch: Ohne Entspannung bei den Problemfeldern Russland-Ukraine und Energie werden die Auslands­investoren nicht zurückkommen und es werde keinen Rebound der Kurse an der Wiener Börse geben.

Matejka bezeichnet zahlreiche heimische Konzerne aus Investorensicht als mittlerweile wieder interessant: „Bei den Einzelaktien sehe ich derzeit etliche historische Tiefstände, die sich nur mit extrem negativer Erwartung fundamental begründen lassen.“ Konk­ret nennt er bei seinem Auftritt auf der GEWINN-Messe folgende Unternehmen, die allesamt „in guter Form“ und teilweise auch bereits in Bezug auf ihre Energieversorgung gut abgesichert seien: Agrana, Amag, Addiko, ­Andritz, Erste Group, Flughafen, Frequentis, OMV, Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, Strabag, Voest­alpine, VIG oder Wienerberger.

Ein Fan des Ziegelriesen Wienerberger ist auch Klaus Umek, Managing Partner von Petrus Advisers, wie er im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf der GEWINN-Messe betont. Der Konzern sei insbesondere ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit. „Wienerberger hat da einen echten Wettbewerbsvorteil“, so Umek. In einer energieintensiven Branche sei das besonders ­wichtig. Lenzing und Voestalpine, zwei ­weitere Industriebetriebe mit beachtlichem Energiebedarf, hätten sich aus seiner Sicht bei der Umstellung auf ­alternative Energien indes zu sehr Zeit gelassen.

 

 

Breit streuen mit Fonds und ETFs

Bei all den genannten Chancen sollte man aber auch die Risken nicht außer Acht lassen, die bei der Investition in Einzelaktien an der Wiener Börse bestehen. Wer auf eine Erholung an der Wiener Börse setzen möchte, ohne sich dem erhöhten Risiko von Einzelinvestments auszusetzen, sollte daher besser zu einem Aktienfonds oder -ETF mit Schwerpunkt auf die heimische Börse als Baustein für ein gut ­diversifiziertes Portfolio greifen.

In der Tabelle findet sich eine Übersicht der aktuell verfügbaren Produkte: Hier zeigt sich, dass auf Sicht der vergangenen ein, drei und fünf Jahre alle Fonds und ETFs im Minus sind. Auffällig ist auch, dass börsennotierte Indexfonds (ETFs), die einfach stur die Entwicklung des Leitindex ATX abbilden, im Vergleichszeitraum keinen Nachteil im Vergleich zu aktiv verwalteten Fonds hatten.

Jede Menge „Top-Picks“

Alois Wögerbauer hat die Gewichtung von Wienberger (nebst Andritz) in ­seinem 3-Banken-Österreich-Fonds ­zuletzt weiter erhöht. Dies, zumal die jüngsten Quartalszahlen der Unternehmen gut gewesen seien. Andritz zählt er sogar zu seinen aktuellen „Top-Picks“. Der Konzern verfüge über ein breites Produktportfolio und einen ­riesigen Auftragsbestand.

Dazu gesellen sich noch AT&S und Mayr-Melnhof Karton als weitere Top–aktien aus Sicht des 3-Banken-Experten. AT&S steige im Bereich „IC-Substrate“ in die internationale Topliga auf. Diese IC-Substrate sind Verbindungsplattformen zwischen Halbleitern (Chips) und Leiterplatten und sie ermöglichen leistungsfähigere und immer kompaktere elektronische Bauteile. Mayr-Melnhof Karton hingegen habe laut Wögerbauer von „Familienbetrieb“ auf „Wachstumsoffensive“ umgeschaltet und strategisch richtige Zukäufe getätigt.

Grundsätzlich erhöht wurden im 3-Banken-Österreich-Fonds auch die Gewichtungen des Bank- und Versicherungssektors, wie Wögerbauer auf Anfrage bestätigt. Die „neue Zinswelt“ bringe kurzfristig zahlreiche Herausforderungen, mittel- bis langfristig sollte sie aber diese Geschäftsmodelle unterstützen. Die heimischen Banken sieht der oberösterreichische Fondsmanager nach eigenen Angaben damit sogar „erstmals seit langer Zeit wieder als einen klaren Kauf“. Die Erste Group betrachtet er als „bestens positioniert“. Anders urteilt Klaus Umek von Petrus Advisers, der insbesondere bei der ­Erste Group Defizite sieht: „Die Erste hat ein vollkommen falsches Kreditportfolio, viel zu stark auf Hypothekarkredite ausgerichtet, was jetzt mit dem Zinsdruck mit erheblichen Risken verbunden ist.“

Immobilienaktien polarisieren

Noch mehr scheiden sich die Geister an den Immobilienwerten. Die steigenden Zinsen sind für die Branche grundsätzlich kein Stimmungsmacher. Viele Beobachter sehen darüber hinaus aber auch die jüngste Entwicklung der Unternehmen selbst kritisch – allen voran bei Immofinanz und S Immo, wo der tschechische Milliardär Radovan Vitek mit seiner Firmengruppe CPI Property eingestiegen ist und bereits jeweils mehr als drei Viertel der Anteile hält.

Schon allein aufgrund des dras­tisch reduzierten Streubesitzes würden diese Aktien in Zukunft keine große Rolle mehr spielen, heißt es aus dem Markt. Im 3-Banken-Österreich-Fonds wurde der Immobiliensektor deutlich reduziert, Immofinanz und S Immo befinden sich gar nicht mehr im Portfolio. Dass bei der Immofinanz für 2021 keine Dividende ausgezahlt wurde, ­obwohl dieses Jahr gut verlaufen sei, wird von vielen Investoren ebenfalls kritisiert.

Gänzlich anders sieht das wiederum Klaus Umek von Petrus Advisers: „Durch die Refinanzierung der Wandelanleihe war es vernünftig, die Dividende zu streichen.“ Umek lobt generell die neue Strategie mit der Umstrukturierung der Immobilienportfolios. S Immo kauft von CPI Property Group und Immofinanz Büroimmobilien in Budapest, dafür wird das deutsche Wohnportfolio verkauft. „Es wird in hochrentable Objekte investiert“, lobt Umek. Deutsche Wohnimmobilien würden indes tatsächlich keinen Sinn machen. Umek bezeichnet beide Aktien, S Immo und Immofinanz, als interessant, ist aber vor allem von der Immofinanz angetan – diese bezeichnet er in Anbetracht der günstigen ­Bewertung sogar als „Screaming Buy“, eine Aktie also, die regelrecht danach schreit, gekauft zu werden.

„Fundamentalperlen“

Die Erste Group orientiert sich etwas anders: „Ich würde in der derzeitigen Situation ein Portfolio aus stabilen CEE-orientierten Unternehmen wie VIG, Strabag und Telekom Austria empfehlen, das mit globalen Markt­nischen-Playern wie Andritz, Do & Co und SBO ergänzen und mit defensiven Werten wie der Österreichischen Post und zum Beispiel Sondersituationen wie FACC oder UBM kombinieren“, ­erklärt Friedrich Mostböck.

Und was sind die spannendsten Wetten bzw. Fundamentalperlen auf dem Wiener Markt? „Spannend und vielleicht zu Unrecht unter Druck gekommen sind AT&S und Marinomed“, sagt Mostböck. Eine „Fundamentalperle mit guter Strategie und ausgezeichnetem Management“ sei indes Palfinger.

Für die heimischen Versicherer VIG und Uniqa ortet die Erste Group attraktive Aussichten, wenngleich sie die Kursziele für diese Aktien aufgrund der gestiegenen Renditen zuletzt ­kürzen musste. „Dennoch sprechen sowohl das Kurspotenzial nach den jüngsten Korrekturen als auch die Dividendenrenditen von knapp neun Prozent (Uniqa) bzw. über 6,5 Prozent (VIG) für die Aktien“, heißt es in einer aktuellen Analyse. „Wir denken, dass die österreichischen Versicherer steigende Inflationsraten besser verkraften als andere Sektoren und vom ­Anstieg der Renditekurven in ihren ­Finanzergebnissen profitieren werden. Jedoch bleiben die Ergebnisse der ­Versicherer von der aktuell schwer ­vorhersehbaren wirtschaftlichen, Zins- und Inflationsentwicklung ­abhängig.“

Saisonale Muster

Der Chefanalyst der Erste Group strahlt insgesamt aber viel Optimismus aus: „Natürlich ist der österreichische Aktienmarkt infolge seiner geografischen Nähe zum Kriegsschauplatz besonders unter Druck geraten. Ich denke aber, dass bereits sehr viel an negativen Umständen eingepreist ist. Das sehen im Übrigen auch internationale Investoren bereits wieder so.“

„Come back in November“

Das saisonale Muster spricht jedenfalls für einen allmählichen Einstieg: Die alte Börsenweisheit „Sell in May, go away“ trifft auf kaum einen Aktienmarkt so stark zu wie auf die Börse Wien – erst recht, wenn man den sogenannten Halloween-Indikator mitberücksichtigt. Dieser impliziert, dass man, nachdem man sich im Mai vom Aktienmarkt zurückgezogen hat, nach Halloween, also im November, wieder einsteigen sollte. Somit wird ein Börsenjahr in zwei gleich lange Abschnitte unterteilt: die Periode Mai bis Oktober, in der man nicht investiert sein sollte, und die Periode November bis April, in der man sehr wohl Aktien halten sollte.

Wer diese einfache Strategie verfolgte, konnte etwa im amerikanischen Leitindex S&P 500 über Jahrzehnte tatsächlich eine bessere Performance erzielen als mit einer reinen Buy-and-Hold-Strategie (Transaktionskosten außen vor gelassen).

Aber wie sieht nun die Situation in Österreich aus? GEWINN hat die ­historische Kursentwicklung des ATX analysiert und Folgendes herausgefunden: In den zurückliegenden 22 Jahren hat der Wiener Leitindex von Mai bis Oktober durchschnittlich 1,6 Prozent an Wert verloren, von November bis April hingegen wurden im Schnitt Zugewinne von 9,7 Prozent gefeiert! Der saisonale Effekt ist hier also besonders stark ausgeprägt. Das mag zum Teil dem Zufall geschuldet sein und ist keinerlei Garantie für die künftige Entwicklung, aber es ist allemal ein gutes Omen.

Kapitalkräftige Unternehmen

Wer sich lieber an harten Fakten orientiert, dem sei noch eine besondere Kennzahl ans Herz gelegt: der Free Cash Flow. Viele Anleger befürchten eine Rezession. Umso wichtiger ist es, auf kapitalkräftige Unternehmen zu setzen – sogenannte Cashcows, welche stürmische Zeiten an den Märkten theoretisch besser überstehen.

Die Analysten der US-Bank Morgan Stanley haben kürzlich eine Liste von US-Unternehmen mit hohen freien Cashflows zwischen zehn und bis zu 30 Prozent erstellt (darunter Marathon Oil, Nucor oder Steel Dynamics). Kapitalkräftige Unternehmen mit hohen Free-Cashflow-Renditen sollten, so die Logik, einen besseren Schutz vor Abwärtsrisken haben und gleichzeitig ein längerfristiges Aufwärtspotenzial bieten, wenn das Management in der Lage sei, die Barmittel effektiv einzusetzen. Der Wiener Kurszettel ist mit derartigen Cashcows weniger gesegnet, man wird aber auch hier fündig: Beim Verbund beispielsweise erwarten Analys­ten heuer einen Free Cashflow in Milliardenhöhe, was auch in Relation zum Umsatz eine Ansage ist.

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