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Sell in May, go away? Das sind die schlechtesten Monate an der Börse
Historisch betrachtet beginnt jetzt das schwächere halbe Jahr an den Börsen. Wer den Aktienmärkten über den Sommer fernbleibt, sollte demnach nicht viel versäumen und sich eventuell ­sogar manchen Ärger ersparen.
© Andrey Popov – GettyImages.com

Saisonale Anlagestrategien

Sell in May, go away? Das sind die schlechtesten Monate an der Börse

Eine alte Börsenweisheit lautet: „Sell in May and go away.“ Demnach sollten Anleger genau jetzt ihre Aktien verkaufen und erst im Herbst wieder einsteigen. GEWINN hat sich die Faktenlage dazu ­genauer angeschaut.

Von Hans-Jörg Bruckberger

03.05.2023

Der Ratschlag „Sell in May and go away“ ist eine alte Börsenweisheit, die auf der Beobachtung aufbaut, dass sich die Aktienmärkte in den Sommermonaten deutlich schlechter entwickeln als im Rest des Jahres. Oft wird der Ratschlag „But remember to come back in September“ hinzugefügt. Was ist dran an dieser Börsenweisheit?

„Wenn man sich die Statistik über 95 Jahre anschaut, so fällt der Mai negativ auf“, schreiben die Experten von Seasonax. Das von Christoph Zenk und Dimitri Speck gegründete Fintech hat sich auf die saisonale Analyse von Finanzanlagen von Aktien über Währungen bis hin zu Rohstoffen spezialisiert. Die Basis dafür bildet ein eigens entwickelter Algorithmus, der dabei hilft, zu erkennen, wann sich Kaufen und Verkaufen üblicherweise auszahlen.

Von wegen Wonnemonat!

Der Mai ist einer von drei Monaten des Kalenderjahrs, die im historischen Schnitt negative Rendite aufweisen. Seit dem Jahr 1928 schlägt im amerikanischen Leitindex S&P 500 im vermeintlichen Wonnemonat eine durchschnittliche Wertentwicklung von minus 0,5 Prozent zu Buche. Damit ist der Mai der zweitschlechteste Monat überhaupt. Ein weiterer, der Februar, ist nur minimal im Minus, und nur der September ist noch schlechter als der Mai, das aber gleich um einiges: Mehr als ein Prozent hat der S&P 500 in der Langfristbetrachtung in einem durchschnittlichen September an Wert verloren. Der Zusatz „But remember to come back in September“ ist somit nicht empfehlenswert, es sei denn, man beherzigt selbigen Ratschlag erst Ende des Monats.

Tatsächlich empfehlen die meisten Experten bei saisonalen Anlagestrategien aber eine Rückkehr an die Aktienmärkte nach Halloween, also im November. Deshalb ist in dem Zusammenhang auch vom sogenannten Halloween-Indikator die Rede. Somit wird ein Börsenjahr in zwei gleich lange Abschnitte unterteilt: die Periode Mai bis Oktober, in der man nicht investiert sein sollte, und die Periode November bis April, in der man sehr wohl Aktien halten sollte.

Die beiden statistisch betrachtet schlechtesten Börsenmonate fallen also in die Sommerperiode, hinzu kommt, dass auch noch der Juni und der August meist unterdurchschnittlich performen. Prompt ist der Abschnitt Mai bis Oktober in der Regel eklatant schlechter als das Winterhalbjahr.

Dementsprechend gilt tatsächlich: Wer diese einfache Strategie verfolgte, im Mai den Aktienmärkten den Rücken zuzukehren, um im November wieder einzusteigen, der konnte etwa im amerikanischen Leitindex S&P 500 über Jahrzehnte tatsächlich eine bessere Performance erzielen als mit einer reinen Buy-and-Hold-Strategie (Transaktionskosten außen vor gelassen). Das belegen zahlreiche historische Studien.

Seasonax hat die Entwicklung des Dow-Jones-Index während der beiden Perioden seit dem Jahr 1960 und eine Outperformance der Winterperiode (November bis April) von mehr als 3.000 Prozent dargestellt. „Das ist ein starker Beweis dafür, dass saisonale Muster an den Finanzmärkten tatsächlich existieren“, so die Experten der Plattform. Auch ein saisonaler Chart, der einen durchschnittlichen Jahresverlauf des S&P-500-Index abbildet, zeigt, dass man im Sommerhalbjahr als Investor in der Regel nicht viel versäumt.

Ein globales Phänomen

Eine internationale Untersuchung aus dem Jahr 2002 bestätigte die Existenz des Wintereffekts übrigens auf den Kapitalmärkten zahlreicher Länder. Von 37 untersuchten Ländern wurden an 36 Märkten tatsächlich in den Wintermonaten überdurchschnittliche Renditen erzielt – die einzige Ausnahme war Neuseeland.

Und wie sieht die Situation in Österreich aus? GEWINN hat die historische Kursentwicklung des ATX analysiert und Folgendes herausgefunden: In den zurückliegenden 22 Jahren hat der Wiener Leitindex von Mai bis Oktober durchschnittlich 1,6 Prozent an Wert verloren, von November bis April hingegen wurden im Schnitt Zugewinne von 9,7 Prozent gefeiert! Der saisonale Effekt ist hier also sogar ganz besonders stark ausgeprägt.

Das zeigt auch der Blick auf die durchschnittliche Performance einzelner Monate: Im ATX waren neben dem Mai und dem September auch noch der Juni und der August negativ. Umgekehrt sind Dezember und Jänner starke Monate, der allerstärkste Monat ist indes der April. Seit dem Jahr 1992 schlägt im April laut den Daten von finanzen.net im Wiener Leitindex ein durchschnittliches Plus von 2,13 Prozent zu Buche.

2023 ist keine Ausnahme: Die meisten Leitindizes haben im Herbst 2022 ihre Tiefs hinter sich gelassen und liegen heuer deutlich im Plus. Umso mehr befürchten nicht wenige Experten jetzt doch eher magerere Zeiten an den Börsen. Bei Seasonax ist man jedenfalls von saisonalen Strategien überzeugt und verweist auf eine Studie der Erasmus University in Rotterdam, die verschiedene Strategien in mehr als 60 Märkten über teilweise mehr als hundert Jahre Geschichte hinweg analysiert habe. Diese Studie belege, dass eine saisonale Anlagestrategie im historischen Vergleich allen anderen überlegen ist.

Chart Saisonale Muster an der Börse
Statistisch betrachtet gibt es im Sommerhalbjahr an der Börse nicht viel zu holen. September und Mai zählen zu den schwächsten Monaten, auch der Juni und der August sind in der Regel sehr schwach, in Wien sogar negativ.

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