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„Die österreichische Wirtschaft wird heuer noch stärker wachsen als 2021“
Birgit Niessner leitet seit Oktober 2021 die Haupt­abteilung Volkswirtschaft der OeNB.
© ÖNB

Interview mit Birgit Niessner

„Die österreichische Wirtschaft wird heuer noch stärker wachsen als 2021“

Birgit Niessner, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft bei der OeNB, beschreibt im Interview mit GEWINN, welche konjunkturelle Entwicklung die OeNB erwartet.

Von Martin Maier

12.10.2022
Exklusiv für GEWINN-Abonnenten

GEWINN: Von welcher wirtschaft­lichen Entwicklung gehen Sie für ­Österreich für das Gesamtjahr 2022 und die folgenden Jahre aus?

Niessner: Die Konjunkturentwicklung im Jahr 2022 ist von zwei sehr unterschiedlichen Entwicklungen gekennzeichnet. Im ersten Halbjahr wurde – ­getragen von Aufholeffekten im privaten Konsum und im Außenhandel – zunächst noch ein starkes Wachstum verzeichnet. Infolge der hohen Unsicherheit im Zuge des Ukraine-Kriegs und der dadurch angefeuerten hohen Inflation erwartet die OeNB für das zweite Halbjahr jedoch eine deutliche Abschwächung. In Summe wird die österreichische Wirtschaft aus heutiger Sicht ein Wachstum von über fünf Prozent verzeichnen und damit noch stärker wachsen als 2021. Die aktuell beobachtete Konjunkturabschwächung wird sich auf Jahresbasis erst 2023 zeigen. Hier ­rechnet die OeNB auf Basis der aktuellen Annahmen mit einem BIP-Wachstum von rund einem Prozent.

GEWINN: Wie stark muss man hier zwischen den einzelnen Sektoren bzw. Branchen differenzieren?

Niessner: Unterschiede sind deutlich gegeben, ich möchte drei Bereiche herausnehmen: Die Industrie profitierte zu ­Jahresbeginn von einem sehr hohen Auftragsbestand, der nach und nach abgearbeitet wurde; rückläufige Neuaufträge und schwierige Lohnverhandlungen dämpfen jedoch den Ausblick. Die Tourismusbranche wurde im Jahr 2022 bisher durch keine Schließungsmaßnahmen gebremst und verzeichnet somit ­einen deutlichen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig muss man aber auch anführen, dass die Nächtigungszahlen bis Juli klar unter dem Vorkrisenzeitraum gelegen haben. Zudem dämpft die derzeit hohe Inflation die Buchungen für den Herbst und Winter. Der Bereich des Handels spürt die schlechte Konsumentenstimmung bereits jetzt deutlich; dazu kommen die hohen Energiepreise, die den Ausblick für den Handel dämpfen.

GEWINN: Welche Faktoren sind die treibenden Kräfte in diesem Szenario?

Niessner: Der Fokus unserer Analysen liegt bereits auf dem Jahr 2023. Wir ­arbeiten dabei mit einer Reihe von Annahmen, die in solch turbulenten Zeiten mit hohen Unsicherheiten behaftet sind. Die erwartete Höhe der Lohnabschlüsse, aber auch die Auswirkungen fiskalpolitischer Maßnahmen, wie des Strompreisdeckels, sind wesentlich für die Entwicklung im Inland. International ist der weitere Verlauf des Ukraine-Kriegs ausschlaggebend, um davon abgeleitet die Preise auf den Energiemärkten bestmöglich bewerten zu können. Ebenso wichtig ist aber auch eine Einschätzung der Lieferkettenverzögerungen, der Auswirkungen einer restriktiver werdenden Geldpolitik und der konjunkturellen Dynamik in Deutschland, unserem wichtigsten Handelspartner.

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