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Damit das Pfänden ein Ende nimmt© Rawpixel - GettyImages.com

Neues Exekutionsrecht

Damit das Pfänden ein Ende nimmt

Von Susanne Kowatsch

30.03.2022
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Im Vorzimmer liegt ein ganzer Stapel ungeöffneter Mahnbriefe, gegen Mittag klingelt wieder mal der Gerichtsvollzieher. „Ich habe gescheiterte Unternehmer kennengelernt, die psychisch nicht einmal mehr die Kraft hatten, ­ihre Post zu öffnen“, schildert Rechtsanwalt Thomas Engelhart, von der Kanzlei Dr. Engelhart & Partner. Denn es sind nicht immer nur die Leichtsinnigen oder Verantwortungslosen, die irgendwann nicht mehr zahlen können. Wer über längere Zeit keinen Job mehr findet, frisch getrennt ist, womöglich wegen der Kinder nicht voll arbeiten kann oder aufgrund einer Krankheit oder eines anderen Schicksalsschlags über Nacht seine Fixkosten nicht mehr decken kann, hat oft sehr schnell ein finanzielles Problem. Und ebenso rasch folgen die Zahlungserinnerung, die erste Mahnung, die zweite Mahnung, Gebühren und Verzugszinsen.

„Eine von uns durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass sich im Schnitt eine Schuld, die nicht bezahlt wird, innerhalb von acht Jahren verdreifacht“, schildert Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen (ASB). Denn da gibt es die Überziehungszinsen am Bankkonto und die Verzugszinsen der Händler, die nicht selten inklusive Nebenkosten um die 15 Prozent ausmachen können. Dazu kommen hohe Mahnspesen, und wird vom Gläubiger ein Inkassobüro beauftragt, wird es erst richtig teuer: „Jedes Schreiben ­kostet, dazu kommen Interventionsgebühren, Kosten für Hausbesuche etc.“, so Mitterlehner. Kann der Schuldner dann noch immer nicht zahlen, wird das Gericht eingeschaltet, gegen den Schuldner wird ein sogenannter Exekutionstitel beantragt. Auch das kostet nicht zu knapp.

Es gibt keine aktuellen Zahlen, wie viele Menschen in Österreich überschuldet sind. „Rechnet man die Zahlen von Deutschland um, kommt man auf etwa 400.000. Es gibt aber jährlich nur 7.000 bis 10.000 Privatkonkurse“, erklärt Mitterlehner. Der Rest lebt ­irgendwo zwischen Mahnbriefen und Gerichtsvollzieher

Offenkundige Zahlungsunfähigkeit

Weitgehend unbemerkt ist am 1. Juli 2021 die Novelle zum Exekutionsrecht in Kraft getreten, die für Schuldner ­einiges leichter macht. „Es war eine sehr große Reform“, schildert Mitterlehner. „Wir haben in der Vergangenheit oft kritisiert, dass Menschen, die zahlungsunfähig sind, mit Maßnahmen getroffen werden, die für Zahlungsunwillige gedacht sind“, schildert er. „Zudem wurden bisher jene Gläubiger belohnt, die am lästigsten und schnellsten waren. Die hatten dann den ersten Rang für die Exekution, alle anderen mussten warten. Und war die erste Schuld sehr hoch, konnten die anderen davon ausgehen, dass sie ewig warten würden“, weiß Mitterlehner. Eine Annäherung ans Insolvenzrecht, wo einerseits jeder Gläubiger gleich behandelt wird, andererseits zum Schutz des Schuldners ein Zinsstopp eintritt, wurde daher oft gefordert – und mit der Novelle nun auch er­möglicht.
Was hat sich im Detail geändert? Beantragt seit dem 1. Juli 2021 ein Gläubiger eine Exekution und findet der Gerichtsvollzieher Anhaltspunkte dafür, dass eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen könnte, weil etwa auch eine kürzlich durchgeführte Exekution schon erfolglos war, „hat er das Gericht zu verständigen. Dieses prüft dann, ob eine ‚offenkundige Zahlungsunfähigkeit‘ des Schuldners vorliegt. Der Verpflichtete und der betreibende Gläubiger sind einzuvernehmen, und sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wird diese durch Beschluss festgestellt“, schildert Rechtsanwalt Thomas Engelhart. Unter anderem wird geprüft, ob der Schuldner in der Lage ist, die fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei bis fünf Monaten zu bezahlen.
Engelhart merkt etwas Wichtiges an, was bisher ebenfalls noch kaum bekannt ist: „Nicht nur bei natürlichen Personen, auch bei juristischen Personen wie GmbHs kann das Gericht die offenkundige Zahlungsunfähigkeit feststellen.“
Wird diese festgestellt, dann ruhen erst einmal alle Exekutionsverfahren des betreibenden Gläubigers. Noch ­eine wichtige neue Folge: Die „offenkundige Zahlungsunfähigkeit“ wird in der Ediktsdatei im Internet veröffentlicht und ist damit für jedermann ­einsehbar.
„Für Gläubiger ist eine festgestellte Zahlungsunfähigkeit schon etwas Einschneidendes, sie können dann nicht wieder neu exekutieren“, weiß Engelhart, denn: „Eine neuerliche Pfändung bei Gericht kann man als Gläubiger nun nur in wenigen eng gefassten Fällen beantragen.“ Beispielsweise wenn der Gläubiger bescheinigt, dass keine Zahlungsunfähigkeit mehr vorliegt, oder wenn ein über das Vermögen des Schuldners eröffnetes Insolvenzverfahren ohne Regulierung der Schulden wieder aufgehoben wurde bzw. ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgewiesen wurde (z. B. mangels kostendeckenden Vermögens).
Was allerdings nicht heißt, dass man als Gläubiger nicht ein Inkassobüro beauftragen kann, das weiterhin privat versucht, das Geld vom Schuldner hereinzubringen, wobei Zinsen und Gebühren weiterlaufen.
Für den Schuldner tut sich dagegen nach der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit auch eine Chance auf: Binnen 30 Tagen kann er einen Antrag auf Privatkonkurs in Form des kurzen dreijährigen Abschöpfungsverfahrens stellen. Und so zu einer umfassenden Entschuldung kommen.

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