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MMM-Fachtagung 2025
Vom fairen Markt zur digitalen Chance
„Fairer Wettbewerb in allen Wirtschaftsbereichen ist der Schlüssel dafür, um den Motor unserer Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen“, machte Teresa Eckhard, Leiterin der Fallabteilung A in der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), gleich zu Beginn ihres Vortrags klar. Die unabhängige Ermittlungsbehörde wurde 2002 mit dem Ziel gegründet, Wettbewerbsverstöße aufzudecken und Verfahren vor das Kartellgericht zu bringen. Praktische Beispiele zeigen die Bandbreite ihrer Arbeit: Im Energiesektor untersuchte die „Taskforce Energie“ Marktverwerfungen in den Bereichen Strom, Gas und Fernwärme, wo es in Zusammenhang mit der Energiekrise zu starken Preiserhöhungen gekommen ist. Insbesondere geringe Strom- und Gasanbieterwechselraten von unter fünf Prozent schwächen den Wettbewerb. Eckhard appelliert an die Gäste: „Schauen Sie sich Ihre Strom- und Gastarife genau an. Ein einfacher Vergleich spart Geld und stärkt zugleich den Wettbewerb.“
Ein großes Problem seien auch die Kreuzbeteiligungen zwischen zahlreichen Energieversorgern. So habe der Verbund Minderheitsbeteiligungen an der Energie AG OÖ, der Kärntner Kelag oder der Burgenland Holding. Am Verbund wiederum sind die EVN AG, die Tiwag und die Wiener Stadtwerke als Muttergesellschaft der Wien Energie beteiligt. Da Minderheitsbeteiligungen unter 25 Prozent nicht kontrollierbar sind und die BWB solche auch weder entflechten noch untersagen darf, fordert sie eine verschärfte Prüfkompetenz.
Ebenfalls im Fokus der BWB steht die Lebensmittelbranche, wo die Händler Spar, Rewe, Hofer und Lidl zusammen 90 Prozent Marktanteil haben. Nach der Unimarkt-Rückzugsankündigung prüft die Behörde neue Standortübernahmen auf Wettbewerbstauglichkeit. Die Branchenuntersuchung 2023 deckte „Shrinkflation“ (reduzierte Füllmenge, gleicher Preis), Intransparenz und unfaire Handelspraktiken gegenüber Lieferanten auf. Zudem verursachen territoriale Lieferbeschränkungen internationaler Konzerne Preisnachteile für Österreich.
Die Kunden an sich binden
Den Österreichern Vorteile zu verschaffen, hat auch Walter Lukner, Geschäftsführer des Kundenbindungsprogramms Payback Austria, im Fokus. Ihm zufolge basiert erfolgreiche Kundenbindung über reine Rabatte hinaus auf Einfachheit, Relevanz, Vertrauen und Mehrwert. Payback, ein in zehn Ländern vertretenes Tochterunternehmen von American Express, verknüpfe diese Prinzipien mit einer Multipartnerstruktur. Hier sammeln aktuell über 3,2 Millionen Kunden in Österreich bei mehr als 300 Partnern (stationär und online) Punkte, die flexibel einlösbar sind. „95 Prozent der Punkte werden eingelöst, bevor sie verfallen“, ist Lukner stolz und ergänzt: „Wir leben nicht vom Verfall, sondern wollen, dass die Punkte eingelöst werden.“ Dieses System schaffe hohe Bindung, weil es für Konsumenten transparent und lohnend sei, während Händler durch gemeinsame Finanzierung, Datenanalysen und gezielte Ansprache profitieren.
„Besonders macht Payback auch die Verbindung von analoger und digitaler Welt“, erklärt Lukner. Plastikkarte und App würden im Sinne hybrider Gewohnheiten parallel genutzt. Händler profitieren von präzisen Insights zu Kundenverhalten, Abwanderungen und Segmenten, was personalisierte Kampagnen und messbare Erfolge ermöglicht. Zukunftstrends liegen laut Lukner in Hyperpersonalisierung, Echtzeitangeboten und KI-gestützter Kampagnensteuerung.
Wie man als Billa-Kaufmann bzw. -Kauffrau seine Kunden an sich binden kann, schilderten Kurt Akalin und Sandy Wipprecht. Der 26-jährige Akalin, der eigentlich Volksschullehrer werden wollte, als Corona-Aushilfe bei Billa begann und sich rasch zum Marktmanager weiterentwickelte, startete vor einem Jahr in Niederösterreich in die Selbstständigkeit. Wipprecht, 41 Jahre alt, ist seit 2023 ihre eigene Chefin. Sie begann ihre Karriere als Lehrling beim Billa-Mutterkonzern Rewe in Deutschland, war viele Jahre Marktmanagerin in Österreich und übernahm 2023 „ihre“ Filiale in Wien.
Die beiden sind zwei von aktuell 40 Personen, die seit Einführung des Billa-Kaufleutemodells im Jahr 2022 unternehmerisch durchgestartet sind. Beide schätzen die Kombination aus individueller Marktgestaltung mit der Sicherheit eines starken Partners im Hintergrund. Kaufleute führen ihren Markt selbstständig, können Sortimente individuell anpassen, regionale Schwerpunkte setzen und eigene Aktionen umsetzen. Innovationen wie die von Akalin, eine Trockennebelanlage, die Obst- und Gemüseabfälle um 25 Prozent senkte und die Kundenzufriedenheit steigerte, zeigen die Flexibilität des Modells. Wipprecht schätzt daran insbesondere enge Kundennähe, höhere Eigenverantwortung und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Produkte modern gestalten
„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ lautete im Anschuss die Conclusio von Klaus Magele. Er startete im Oktober 2021 als Geschäftsführer von Morawa Bucheinzelhandel und leitete im 1877 gegründeten Traditionsunternehmen mit aktuell 21 Filialen und 55 Millionen Euro Umsatz einen Transformationsprozess ein. Der Buchhandel stehe durch Onlineanbieter, E-Books, Streamingdienste und verändertes Leseverhalten unter starkem Druck. „In Österreich ist die Zahl der Buchhandlungen seit 2002 von über 1.000 auf rund 400 gesunken. Überlebt haben große Häuser mit breitem Sortiment, spezialisierte Nischenhändler und Ketten, die frühzeitig Non-Book-Sortimente integriert haben“, so Magele. Auch bei Morawa wird der Anteil an Geschenkartikeln, Accessoires oder Spielen strategisch je nach Standort auf bis zu 25 Prozent gesteigert.
Neben Beratung und regionalen Sortimenten setzt das Unternehmen zudem auf Erlebnisorientierung mit modernen Flagship-Stores, Café-Angeboten, Buch-Abos oder Events. Mit innovativen Lösungen wie dem virtuellen Buchberater, Buchcycling für Nachhaltigkeit (Verkauf gebrauchter Bücher) und teilzentralem Einkauf werden zudem digitale und stationäre Kanäle verknüpft. Zentral bei all dem sei aber, die Mitarbeiter mitzunehmen. Die Transformation könne nämlich nur gelingen, wenn diese von Anfang an eingebunden sind.


