Taue, Stempel und James Bond

Beim Seilhersteller Teufelberger geht es an den Maschinen zu wie beim „Maibaumtanz“. Der Familienbetrieb ist Weltmarktführer, unter anderem für Schiffstaue (Foto: Teufelberger)
Rund 5.700 Unternehmen sind in der Stadt Wels beheimatet. Rundherum, im Bezirk Wels Land, sind es weitere 5.000. Um sich ein Bild von diesem Wirtschaftsstandort zu machen, lud das Wirtschaftsservice Wels zur Safari durch die Stadt an der Traun ein.
„Politik auf Augenhöhe und ein gutes Zusammenspiel zwischen den Unternehmen macht Wels so besonders“, erklärt Peter Jungreithmair, Geschäftsführer des Wirtschaftsservice. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, für Betriebsansiedelungen zu sorgen. Dazu hält Jungreithmair Standorte im Rahmen der „Flächenbevorratung“ als Asse im Ärmel.
GEWINN hat drei Unternehmen in Wels besucht und mit ihren Geschäftsführern gesprochen.
Kinotechnik für alle Sinne
Dass man ein Buch nicht aufgrund seines Covers bewerten sollte, zeigt sich schon bei der ersten Station. Ein tristes „Standardbürogebäude“, in dem ebenso eine Versicherung untergebracht sein könnte. Schnell hinein durchs Eingangstor. Nach ein paar Schritten die Überraschung: Ein Hightech-Kino-Showroom der Extraklasse. Inklusive Motion-Seats, die wackeln, rütteln und vibrieren.
Wir sind zu Besuch bei der Firma Kraftwerk, ihres Zeichens ein „Weltrekordunternehmen“. Doch dazu später. Das, was Kraftwerk unter dem Motto „Living Technologies“ macht, nennen die beiden Geschäftsführer Manfred Meier und Christian Hofer „audio-visuelle Systemintegration“. Nach der Gründung 1992 wurde Kraftwerk oft mit Licht- und Soundanlagen für Diskotheken verbunden. Mittlerweile beschäftigt man 135 Mitarbeiter, davon 90 in Wels. Die anderen sitzen in China, Russland und Südafrika. 2017 setzte Kraftwerk knapp 40 Millionen Euro um, damit wurde das Vorjahresergebnis verdoppelt.
Die Produkte von Kraftwerk sind im Highend-Bereich der Unterhaltungstechnik angesiedelt. Ob 4D-Motion-Seats für Kinos, das „5DWaterplexx“-Wasserkino oder völlig individuelle Veranstaltungs- und Unterhaltungslocations, bei Kraftwerk gibt es keine halben Sachen. Die Planungen der Projekte dauern oft Jahre, erzählen die Geschäftsführer. Das Unternehmen gehört zu 85 Prozent einer Holding, an der CEO Manfred Meier (51 Prozent) und Constantin Film (49 Prozent) Anteile halten. Die restlichen 15 Prozent gehören Christian Hofer. Er ist der Tüftler der beiden. Er wirkt im Gespräch zurückhaltender als sein Kollege Meier, der vor Elan sprüht.
Von Wels zum Times Square
Um die Dimension von Kraftwerk zu verstehen, muss man sich ein paar Zahlen ansehen. So wurde in China ein Projekt realisiert, bei dem jetzt eine 1.530 Quadratmeter große Leinwand von zwölf Projektoren bespielt wird – Weltrekord. Zum Vergleich: Die größte Kinoleinwand in Österreich ist 640 Quadratmeter groß. Am New Yorker Times Square wurde letztes Jahr ein modernes Walk-through-Erlebnis eröffnet, das von National Geographic beauftragt und von Kraftwerk umgesetzt wurde. Eine multimediale Unterwasserwelt mit bestechender Grafik und realen Szenarios erwartet die Besucher.
Doch obwohl die Auftragslage gut ist und man jedes Jahr neue Umsatzrekorde aufstellt, plagt Kraftwerk ein Problem: „Wir sind momentan zwischen fünf Welser Standorten zerrissen“, erklärt Geschäftsführer Meier. Dennoch wolle man in Wels bleiben: „Wir bekennen uns zu Wels und werden sicher bald einen geeigneten Standort finden.“ Wer sich die Arbeit von Kraftwerk selbst einmal ansehen möchte, muss nicht nach New York oder Shanghai fliegen. Die multimediale James-Bond-Ausstellung „007 Elements“ in Sölden stammt genauso aus Wels wie einige Attraktionen im Europapark Rust. Für qualifiziertes Personal sorgt die FH Oberösterreich mit ihren Studiengängen „Innovationsmanagement“ und „Hardware-Software-Design“.
Das schwerste Seil der Welt
Nächste Station auf unserer Reise durch Wels ist ein Unternehmen, das bei seiner Gründung noch gar nicht im Stadtgebiet gelegen war. 1790 gründete Jakob Teufelberger die gleichnamige Seilfabrik. Nicht nur die Stadt ist seither gewachsen, sondern auch die Produktion. Heute macht Teufelberger 225 Millionen Euro Umsatz, beschäftigt 1.300 Mitarbeiter an zwölf Standorten und ist Weltmarktführer für Segelboottaue. Daneben produziert das noch immer in Familienbesitz stehende Unternehmen industrielle Stahl- und Faserseile. 90 Prozent gehen in den Export.
Wie bei einem Maibaumtanz werden in den Werkshallen die Seile gesponnen. Spindeln, Walzen und Tausende Arme wedeln flink herum und fügen Faden an Faden, bis daraus ein robustes Geflecht entsteht. Das kann unterschiedliche Formen annehmen.
Eines der bekanntesten Produkte des Unternehmens ist das klassische synthetische Umreifungsband, das bei Zeitungsstapeln oder Paketlieferungen verwendet wird. Doch auch in industriellen Bereichen, wie etwa auf Ölplattformen oder Schiffen, auf Seilbahnen oder bei Segel- und Motorbooten, sind Teufelberger-Produkte gefragt.
Nachhaltigkeit und Innovation haben einen großen Stellenwert. „Fünf Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten in Forschung und Entwicklung“, sagt Geschäfsführer Florian Teufelberger. Man verwende fast nur umweltfreundliche beziehungsweise recycelte Materialien. „Wir verarbeiten pro Jahr die Sammelmenge aller österreichischen PET-Flaschen“, so Teufelberger weiter. Auch hier hat Wels einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde: Mit 450 Tonnen Gewicht hat das Unternehmen das schwerste Stahlseil der Welt hergestellt. Solche „Mega-Seile“ werden bei der Öl- und Gasförderung eingesetzt.
35 Millionen Stempel pro Jahr
Es ist ein ständiges Gewusel an der dritten und letzten Station der Wels-Safari. Die Arbeiter haben alle Hände voll zu tun, die Maschinen kontinuierlich mit Kunststoffpellets zu „betanken“. Der Rest erfolgt per Spritzguss automatisch. Später werden die Stempel von Trodat dafür umso öfter von Menschenhand verwendet. Aus den Amtsstuben dieser Welt sind sie nicht wegzudenken. Das „Tro“ im Firmennamen steht für den Kunststoff Trolitul, das „dat“ für Datumstempel.
Trodat ist der weltweit größte Hersteller von Stempeln. Im letzten Jahr setzte man knapp 250 Millionen Euro um. „Das Geschäft brummt“, sagt CEO Norbert Schrüfer und verrät: „Unser Problem ist nicht, Aufträge zu bekommen, sondern Leute, die diese Aufträge abarbeiten.“ Momentan beschäftigt Trodat 1.500 Mitarbeiter rund um den Globus.
Neben der Stempelproduktion widmet man sich seit den 1990er-Jahren auch der Lasertechnologie. So wurde 1997 Trotec gegründet, die hochwertige Lasergeräte herstellt. Mit diesen Geräten, die wie Drucker aussehen, kann man gravieren, schneiden und markieren. Verwendung finden diese rund 30.000 Euro teuren Laser zum Beispiel in der Textil- und Papierindustrie. Bis zu 15 solcher Geräte werden täglich in Wels gefertigt.
Bei den Stempeln sind die Produktionszahlen schon deutlich höher. Rund 35 Millionen Stück produziert Trodat pro Jahr in Wels. Der Verkaufspreis an die Händler liegt bei rund vier Euro, der Kunde bezahlt zirka 20 Euro. 100.000 Abdrücke pro Kissen schafft der Stempel dann. Um diesen hohen Standard zu erhalten, ist der Verbleib am Standort Wels klare Firmenphilosophie.
Auch auf die Lehrlingsausbildung wird viel Wert gelegt. In einer eigenen Lehrwerkstatt werden derzeit 24 Lehrlinge ausgebildet. Auf die Frage, warum man die Produktion nicht ins Ausland verlagere, meint Schrüfer: „Personalkosten sind weniger wichtig. Bei uns geht es in erster Linie um Qualität.“ Qualität zeigt sich auch an den Fingern, die versehentlich ins Stempelkissen gegriffen haben. Die Farbe hält.