Die letzten Finanzierungsspielräume

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„Nachhaltige Finanzierbarkeit“ – spätestens seit Frühjahr 2016 sollte dieses Schlagwort bei jeder Immobilienkreditvergabe eine tragende Rolle spielen. Seit damals ist das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HlKrG) in Kraft, das eine strengere Überprüfung der Leistbarkeit von Krediten vor ihrer Aufnahme fordert.
Fakt ist aber, dass das neue Gesetz bis dato kein großes Hindernis für bestimmte Praktiken der Banken dargestellt hat, um auch Kunden ohne allzu gute Bonität weiterhin die Chance zu wahren, zu einem Kredit zu kommen. Teils soll das Entgegenkommen gegenüber den Kunden in den letzten zwei Jahren sogar noch zugenommen haben. „Einzelne Institute verfolgen in jüngster Zeit in der Vergabepolitik sehr aggressive Strategien: überlange Laufzeiten, um die monatliche Rückzahlungsbelastung zu drü-cken, einen geringen Eigenmittelanteil, großzügige Haushaltsrechnung, das Ausreizen der Parameter der Rückzahlungsfähigkeit oder ein Endalter der Kreditrückzahlung bis zu 80 Jahre“, zählt Finanzmarktaufsicht(FMA)-Vorstand Klaus Kumpfmüller gegenüber GEWINN auf.
FMA wird aktiv
Doch das ändert sich nun auf Druck der FMA. Sie wittert Risken für die Immobilienkreditportfolios der Banken.
Die konkreten Konsequenzen, die Banken mit solchen Praktiken nun drohen: „In einem ersten Schritt wird die FMA jenen Banken unmissverständlich die Erwartungshaltung der Aufsicht an eine risikoadäquate Vergabe von Immobilienkrediten kommunizieren. Denn die im Aufschwung zu locker vergebenen Kredite sind faule Kredite in der Krise“, so der FMA-Vorstand. Sollte im Dialog keine angemessene Verhaltensänderung durch die Bank erzielt werden, werde die FMA ihre Erwartungshaltung mittels Sanktionen durchsetzen.
Was droht den Banken konkret? „Einerseits kann die Aufsicht Maßnahmen zur Verbesserung des Risikomanagements durchsetzen, andererseits hat sie im ,Supervisory Review Process‘ risikoadäquate Aufschläge bei den Eigenkapitalanforderungen vorzuschreiben.“ Was bei den Banken natürlich ins Geld geht und so ihre Kreditvergabespielräume automatisch einschränken würde. Im schlimmsten Fall ist noch mehr drin: „Gelangt das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) zur Ansicht, dass hier ein systemisches Risiko erwächst, kann es der FMA empfehlen, durch entsprechende quantitative und qualitative Vorgaben für alle Institute das Risiko zu begrenzen“, erklärt Kumpfmüller.
Was sich für Kunden verschlechtert
Was heißt das jetzt für alle, die auf der Suche nach einem leistbaren Kredit für ihre Immobilie sind? – Die FMA hat kürzlich mit ihren „Gesprächen“ begonnen, im Laufe des Jahres sollen sie abgeschlossen sein.
Spätestens ab dem kommenden Jahr werden Banken daher tendenziell reine Pauschalratenkredite mit eher kürzeren Laufzeiten anbieten und Eigenmittel von zumindest 20 Prozent verlangen. Lobend erwähnt wurde von der FMA übrigens der wachsende Anteil langlaufender Fixzinskredite, dieser Trend sollte sich also fortsetzen. Immo-Finanzierungen mit einem Blankoanteil könnten dagegen bald der Vergangenheit angehören.
Noch schnell zur Bank!
Deshalb der Tipp: Gerade Kunden mit nicht allerbester Bonität, die auf die eine oder andere von der FMA ungeliebte Variante angewiesen sind (z. B. tilgungsfreie Anfangsjahre, lange Laufzeit), sollten möglichst schnell bei Banken vorstellig werden. Die aktuelle GEWINN-Umfrage zeigt, dass die angekündigten FMA-Maßnahmen schon erste Änderungen bewirkt haben. So hat beispielsweise die Bawag P.S.K. bereits ihre maximale Laufzeit von 40 auf 35 Jahre reduziert.
Doch die Umfrage zeigte auch: Nach wie vor gibt es noch ein interessantes Angebotsspektrum – siehe auch Tabellen! Dazu Harald Draxl, Geschäftsführer beim Finanzierungsberater Infina: „Die Laufzeit beträgt bei den meisten Kreditinstituten noch bis zu 35 Jahre. Ausgewählte Kreditinstitute bieten auch noch Laufzeiten bis zu 40 Jahre, wobei das festgesetzte maximale Endalter nicht überschritten werden darf.“
Und wie alt darf man aktuell bei Auslaufen des Kredits noch sein? Bei einer Reihe von Kreditinstituten nach wie vor 75 oder 80 Jahre. „In Einzelfällen geht es sogar darüber hinaus. Dies gilt vor allem bei Bausparkassen sowie vereinzelt bei Banken. Letzteres ist dann weiterhin möglich, „wenn die Bank bei Kreditvergabe prüft, ob bei Eintritt der gesetzlichen Pension nur noch weniger als 60 Prozent des Immobilienwertes an Restkredit ausständig sind“, erklärt Draxl.
Bezüglich Eigenmittel gelten bei entsprechendem Einkommen meist 20 Prozent des Kaufpreises nach wie vor als ausreichend, manchmal ist auch (noch) weniger möglich.
Eine weitere Annehmlichkeit sind tilgungsfreie Zeiten, während derer nur die Zinszahlungen anfallen. Nach wie vor möglich: „Die Mehrzahl der Banken bietet zumindest 48 Monate an tilgungsfreiem Zeitraum an, teils sogar bis zu 60 Monate“, weiß Draxl. Alternativ gibt es dynamische Ratenmodelle, die Kreditnehmer anfänglich entlasten, dann aber im Zuge der Kreditlaufzeit ansteigen.
Bausparkassen ausgenommen
Generell sind Bausparkassen als Alternative ein Tipp, denn diese wurden von der FMA dezidiert nicht kritisiert, hier sei die Regulierung ohnehin streng genug.
Sofern der Kreditnehmer in der Lage ist, zukünftig höhere Kreditraten zu leisten, bieten aktuell beispielsweise die start:bausparkasse oder Wüstenrot attraktive Staffelratenprodukte.
Die Wüstenrot bietet ein Modell mit maximal sechs Zinsstaffeln bei allen gängigen Hypothekardarlehen an, wobei die höchste Zinsstaffel maximal doppelt so hoch sein darf wie die niedrigste. Ein Beispiel für ein 100.000-Euro-Darlehen bei Gesamtlaufzeit von 21 Jahren mit Topkondition: Erste 48 Monate mit 299 Euro; dann drei weitere 48-Monats-Perioden mit Raten von je 410, 480 und 540 Euro und zuletzt 47 Monate zu je 598 Euro.
Entweder einen rückzahlungsfreien Zeitraum bis zu 60 Monate oder bis zu zehn Jahre, maximal 50 Prozent der vereinbarten Kreditlaufzeit tilgungsfrei (nur Zinsenrate!) bietet die s-Bausparkasse. Alternativ hat sie eine dynamische Rate mit jährlicher Steigerung um zwei Prozent – für Kunden, die Einkommenssteigerungen erwarten.