„Freiheit und Verantwortung gehören zusammen!“

Foto: Martin Prikoszovich
GEWINN: „Neoliberal“ gilt hierzulande als Schimpfwort und wird mit einem ungerechten Gesellschafts- und Wirtschaftssystem gleichgesetzt. Ein Missverständnis?
Mayer: Ja, denn die liberale Wirtschaftsordnung hat uns im Westen den Wohlstand gebracht. Und die soziale Absicherung für jene, die auf dem Markt nicht genug Einkommen erzielen können, ist zwar ein notwendiges, aber eben nur ein Beiwerk. Und jetzt, 30 Jahre nach dem Untergang des real existierenden Sozialismus, verblasst der Eindruck von diesem globalen Experiment, das unheimliche menschliche Kosten verursacht hat, und das Pendel schlägt wieder in Richtung Sozialismus aus. Das ist kein lokales Phänomen, sondern zeigt sich in vielen Ländern.
GEWINN: Aber woher kommt diese Unzufriedenheit und der Ruf nach mehr „sozialer Gerechtigkeit“? Wir hatten zuletzt ein sehr starkes Wirtschaftswachstum, und in vielen Ländern ist die Arbeitslosigkeit sehr gering.
Mayer: Ja, das liegt zum Teil daran, dass die Wirtschaft nach der Finanzkrise 2007, 2008 in einer Art und Weise gemanagt wurde, die zu großer Ungleichheit geführt hat. Damit meine ich in erster Linie die Zentralbanken, die als Retter aufgetreten sind, um in Not geratene Bankinstitute aufzufangen. Insbesondere die Zinspolitik hat dazu geführt, dass der Lohnempfänger, der seine Ersparnisse auf dem Sparbuch liegen hat, sprichwörtlich durch die Röhre schaut, während die Immobilienbesitzer und Aktionäre in den letzten zehn Jahren von dieser Politik enorm profitiert haben. Die Leute machen dafür das liberale Wirtschaftssystem verantwortlich, dabei ist meines Erachtens nach die Perversion dieses Systems verantwortlich. Denn zur liberalen Wirtschaftsordnung gehören die Freiheit zum Handeln, aber auch Verantwortung und Haftung dafür. Man muss für die Fehler, die man macht, einstehen. Und durch die Wirtschaftspolitik der letzten 20 Jahre haben wir dieses elementare Prinzip, dass Freiheit und Verantwortung zusammengehören, voneinander getrennt. So konnten die Finanzmarktakteure die Gewinne privatisieren, wenn es ihnen gut ging, wurden aber von den Zentralbanken in schlechten Zeiten unterstützt.
GEWINN: Was ist die Kernaussage Ihres aktuellen Buches „Die neue Kunst, Geld anzulegen: Mit Austrian Finance zu einem besseren Portfoliomanagement“?
Mayer: Dass die moderne Portfoliotheorie, die ich im Studium gelernt und an die ich geglaubt habe, in der Praxis nichts taugt. Die Österreichische Schule der Ökonomie bietet hier eine viel bessere Grundlage für vernünftige Geldanlage, denn sie setzt auf Subjektivismus und nicht Objektivismus. Außerdem wird Risiko meistens mit Schwankungen der Kurse gleichgesetzt. Dabei besteht das Risiko eines Anlegers darin, das finale Anlageziel nicht zu erreichen. Wenn mein Zeithorizont 20 Jahre beträgt, ist das Risiko einer Investition in stark schwankende Aktien sehr gering. Hat man einen Anlagehorizont von sechs Monaten, wäre es absoluter Wahnsinn in den Aktienmarkt zu investieren. Auf kurze Sicht gehen daher heute nur noch Bankeinlagen, auf lange Sicht wahrscheinlich nur noch Aktien.
GEWINN: Was sollte man in der Praxis der Geldanlage beachten ?
Mayer: Ganz banal sollte man jedenfalls nicht alle Eier in einen Korb geben. Damit einen die Fehler, die man macht – und man macht immer Fehler –, nicht zu stark zurückwerfen. Ich streue mein Portfolio daher nach dem sogenannten Grenznutzenprinzip. Angenommen, es gäbe eine Aktie mit der höchsten Rendite und größter Sicherheit, dann würde ich nur die eine Aktie kaufen. Aber in der Praxis kann man das nicht mit Bestimmtheit sagen. Daher sollte man jene Aktie mit der zweithöchsten erwarteten Rendite hinzufügen. Dadurch sinkt zwar die Gesamtrendite des Portfolios, aber das Risiko, das Anlageziel zu verfehlen, sinkt. Das wiederholt man so lange, bis die Hinzunahme einer weiteren Aktie die erwartete Rendite des Gesamtportfolios stärker senkt als das Risiko und damit keinen weiteren Vorteil bringt. Das kann man nicht rein wissenschaftlich machen und es erfordert sehr viel subjektives Wissen und Einschätzung. Und wenn ich mir nicht so sicher bin, welche Aktien ich kaufen soll, dann kaufe ich mir einfach ein Produkt, das einen Index abbildet, wie etwa einen ETF.