„Bio wird sich langfristig rechnen“

„Wer nur aus wirtschaftlichen Gründen auf Bio umsteigt, wird scheitern.” Matthias Grün, Esterházy (Foto: Esterhazy-Betribe/Günther Peroutka)
GEWINN: Die Esterhàzy-Gruppe ist mit 2.200 Hektar Fläche im Burgenland der größte Biobauer Österreichs. Damit entsprechen Sie nicht dem romantischen Bild, das der Konsument von Biolandwirtschaft hat. Kommen sprechende Schweine in der Werbung besser an als große Traktoren?
Grün: Der Konsument hat vielfach noch eine falsche Vorstellung. Der Bauer mit den 20 verschiedenen Tierarten, die rund um seinen Hof weiden, und den altertümlichen Maschinen, das spielt es nicht mehr. Damit wird man auch die Bevölkerung nicht nachhaltig versorgen können. Die Kritik an der Größe geht an der Realität vorbei. Entscheidend ist nicht, ob groß oder klein, sondern was auf der landwirtschaftlichen Fläche passiert. Wie nachhaltig wird dort gearbeitet? Wie viel Wertschöpfung bleibt in der Region? Wie machen wir uns unabhängiger von den globalen Preisschwankungen?
Da stehen wir noch am Anfang. Wir haben z. B. für unser Getreide eine eigene Mehllinie unter der Marke Esterházy entwickelt und haben verschiedene Kooperationspartner, wie die Bäckerei Felber in Wien, die daraus spezielle Produkte machen. Damit können wir den Preis für unser Getreide stabilisieren. Wir wollen immer stärker den Bogen vom Feld auf den Teller spannen.
GEWINN: Mehr Anteil an der Wertschöpfungskette. Das versuchen auch andere Landwirte. Dafür hätten Sie aber nicht unbedingt auf Bio umstellen müssen.
Grün: Unsere Lagen haben eines gemeinsam: die Nähe zum Neusiedler See. Ein Hotspot der Artenvielfalt. In diesen Gebieten kann man nur besonders sorgsam wirtschaften, ohne der Natur einen Schaden zuzufügen. Das war seit jeher unsere Aufgabe. Es war daher nur eine Frage der Zeit, auf Bio umzustellen. Wir haben das 2002 gemacht und waren damals einer der Ersten unter den Großen. Damals sind wir noch belächelt worden.
GEWINN: Sie haben aber wohl auch aus wirtschaftlichen und nicht nur aus Naturschutzgründen auf Bio umgestellt?
Grün: Da liegen Sie falsch. Hauptmotor war der Stiftungsauftrag zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung. Wirtschaftlichkeit ist für uns natürlich wichtig, aber kurzfristig bringt uns das keinen Profit. Das ist nur möglich, weil wir eine langfristige Sichtweise haben. Wer bloß aus wirtschaftlichen Gründen auf Bio umsteigt und sich nicht damit identifiziert, wird scheitern. Bio ist in der Bewirtschaftung viel schwieriger. Anders als in der konventionellen Landwirtschaft kann ich nicht mehr reagieren, wenn ein Schädling auftritt. Dann kann ich es nicht mit Spritzmitteln richten.
GEWINN: Um wie viel ist der Ertrag niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft?
Grün: Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab, aber im Schnitt um ein Drittel weniger, in Extremfällen noch deutlich weniger.
GEWINN: Ist der Konsument bereit, diese Einbußen über höhere Preise auszugleichen?
Grün: Es wird besser, aber es ist unglaublich viel Aufklärungsarbeit über Produktion und Qualität notwendig, um beim Konsumenten Verständnis für höhere Preise zu erzielen. Wir beginnen schon bei den Kleinsten mit Schulführungen auf unseren Höfen.
GEWINN: Bei welchen Produkten wird der Aufwand von den verarbeitenden Betrieben und in der Folge von den Konsumenten schon in Form höherer Preise honoriert?
Grün: Was für uns sehr gut funktioniert, sind Ölprodukte wie Kürbisse und Sonnenblumen, aber auch Soja. Wovon wir überzeugt sind, ist die Kichererbse, die in der Gastronomie stark nachgefragt wird. Da sind wir aber noch nicht ganz so weit, da die Ernte nicht einfach ist.
GEWINN: Andere Biobauern experimentieren im Seewinkel mit Reisanbau.
Grün: Das ist hochinteressant. Wir haben uns auch schon damit beschäftigt. Die Vegetationszeit ist im Seewinkel aber fast zu kurz für Reis. Am Anfang ist es zu kalt und am Ende kommt die Pflanze zu spät in den Ertrag. Aber es gibt schon Lösungen für dieses Problem, die recht erfolgversprechend aussehen. Wir beschäftigen uns immer auf zehn Prozent der Flächen mit neuen Kulturen. Unsere Hauptkultur ist und bleibt aber der Winterweizen. Den können wir auch nicht durch neue Kulturen ersetzen.
GEWINN: Esterházy bewirtschaftet 2.200 Hektar selbst, das sind allerdings nur 40 Prozent der gesamten Fläche im Besitz der Esterházy-Stiftungen. 60 Prozent sind an andere Bauern verpachtet. Das macht weniger Arbeit und sorgt für stabile Erträge. Warum setzen Sie immer stärker auf eigene Bewirtschaftung?
Grün: Vor rund 20 Jahren haben wir wieder mit der Eigenbewirtschaftung begonnen. Verpachten wäre natürlich stressfreier, aber wir wollen das Ruder selbst in der Hand haben und die Marke und die Produkte selbst aufbauen. Bio wird sich langfristig rechnen. Unsere Böden sind unser wertvollstes Kapital.
GEWINN: Kaufen Sie auch Flächen zu? Zahlt sich das bei den hohen Preisen für Ackerland in Österreich noch aus?
Grün: Ja, auch wenn wir z. B. im Seewinkel schon bei zweistelligen Quadratmeterpreisen für Ackerland liegen. Die Preise steigen weiter, weil der Boden nicht mehr wird. Es wird täglich Boden versiegelt und Produktionsfläche verschwindet. Jede andere Entwicklung als ein Preisanstieg wäre verwunderlich. Wenn man allerdings zu Lebzeiten noch die großen Renditen erwartet, wird man in der Landwirtschaft nicht glücklich werden. In der Land- und Forstwirtschaft sind Renditen von ein bis zwei Prozent üblich.